Mehrere muslimische Gemeinden wollen in Zeiten von Corona öffentliche Gebetsrufe abhalten. Nicht überall wird ihnen das gestattet. Aus dem Bundestag erhält der Muezzinruf starken Zuspruch.
Die meisten Bundestagsfraktionen plädieren dafür, zumindest für die Zeit des Ramadans Ausnahmeregelungen zuzustimmen, so die WELT am 27. April 2020.
Auch der Berliner Psychologe Ahmad Mansour sieht die Ausweitung des Gebetsrufs kritisch. „Dagegen spricht die Erfahrung“, sagt er der Zeitung. Man habe in Berlin-Neukölln erlebt, dass der Gebetsruf auf eine ganz bestimmte Art interpretiert worden sei. „Es kamen viele Leute zusammen und haben gefeiert, dass Gebetsrufe möglich waren. Sie haben Videos gemacht, die weltweit geteilt wurden. Der Tenor dieser Videos war nicht, zu zeigen, dass in Deutschland die Religionsfreiheit gilt“, sagt Mansour. Dies sei bereits der Fall. „Der Tenor war: Seht mal, Deutschland ist muslimisch.“ Dadurch aber entstehe nicht ein Mehr an Solidarität, sondern kämen zusätzliche gesellschaftliche Spannungen auf. https://www.welt.de/politik/deutschland/article207559513/Muezzin-Ruf-Wir-sahen-den-sozialen-Frieden-in-Gefahr.html
Der Muezzinruf mit seinem „Text des Adhān ist eben nicht nur ein spirituelles Signal über den eigenen Glauben, sondern eine Negativaussage bzgl. anderen Religionen. Da scheint mir die Frage berechtigt, ob dieser Ruf in den öffentlichen Raum eines freiheitlichen, christl. geprägten Landes passt.“ Das schreibt der Augsburger Theologe und Gebetshausleiter Johannes Hartl auf Twitter. Er reagierte damit auf einen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ unter dem ursprünglichen Titel: „‚Trost für Muslime‘ – Leise ruft der Muezzin“, der statuierte, dass der öffentliche Muezzinruf für Muslime in der dieses Jahr durch die Corona-Pandemie stark eingeschränkten Ramadam-Zeit ein Trost sei. Hartl wiedersprach diesem Ansatz: „Es geht beim Muezzinruf aber eben nicht primär um ‚Trost‘. Der Ausruf ‚Allahu Akbar‘ bedeutet: ‚es gibt keinen Gott außer Allah‘. Es ist eine letztlich imperialistische Proklamation im öffentlichen Raum und allein schon deshalb deutlich vom Glockenläuten verschieden.“
Eine Person, die mitdiskutierte, fragte unter Bezug auf den FAZ-Artikel: „Prima, wann kann man die Kirchenglocken in muslimisch geprägten Ländern hören?“
Die Berliner Imamin Seyran Ateş der liberalen Ibn-Rushd-Goethe-Moschee schrieb zu diesem Thema auf Twitter: „Würde die Kirche darauf bestehen, statt mit Glocken künftig mit Lautsprecherstimme zum Gebet zu rufen, würde sie sich wohl ähnlicher Kritik ausgesetzt sehen. Außerdem ruft der #Muezzin nicht die Uhrzeit, sondern ein Glaubensbekenntnis.“
Hintergrund: Der Adhān-Gebetsruf, der von den Muezzinen ausgerufen wird, hat gemäß Wikipedia sowie muslimischen Quellen folgenden Text: „Allah ist groß. Ich bezeuge, dass es keine Gottheit gibt außer Allah. Ich bezeuge, dass Mohammed Allahs Gesandter ist. Eilt zum Gebet. Eilt zur Seligkeit (Heil/Erfolg). Das Gebet ist besser als Schlaf. Allah ist groß (größer als alles und mit nichts vergleichbar). Es gibt keine Gottheit außer Allah.“
Auszüge aus: kath.net: Der Muezzinruf ist „eine Negativaussage bzgl. anderen Religionen“ Lesermeinungen